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Verstorbene RechtsextremeEine Wurst für Udo Voigt

Die Heimat scheitert mit einem Gedenken für ihren Ex-Parteichef. Die NS-Geschichte in Köpenick erlaubt kein öffentliches Heldengedenken.

Protest vor der Köpenicker Parteizentrale der Heimat Foto: Darius Ossami

Berlin taz | „Köpenick ist kein Ort für Nazipropaganda!“, ruft eine Rednerin am Samstagnachmittag auf dem Mandrellaplatz ins Mikrofon und die etwa 70 Demonstrierenden applaudieren. Die Nazis von der NPD-Nachfolgepartei „Die Heimat“ verschanzten sich derweil gegenüber in ihrer Parteizentrale, bewacht von zwei bulligen Nazirockern und gelangweilt herumstehenden Polizist*innen.

Das hatten sich die Nazis anders vorgestellt, denn eigentlich wollten sie auf diesem Platz eine Mahnwache für Udo Voigt abhalten. Voigt war 15 Jahre lang NPD-Parteivorsitzender und von 2014 bis 2019 Mitglied des Europäischen Parlaments, manchen ist er noch durch seine zweideutige „Gas geben“-Wahlkampagne in Erinnerung.

Im Jahr 2000, kurz nach Eröffnung der NPD-Zentrale direkt am Mandrellaplatz, kaperten Voigt und der Holocaustleugner Horst Mahler eine Veranstaltung im Köpenicker Rathaus, auf der über den Umgang mit dem Rechtsextremismus diskutiert werden sollte.

Das ist lange her. Am 17. Juli starb der 73-jährige Voigt, der zuletzt in Köpenick lebte; nur zehn Tage später folgte ihm Mahler mit immerhin 89 Jahren ins Grab. Die „Heimat“ plante eine Mahnwache für Voigt auf dem Mandrellaplatz. Dieser ist nach dem 1943 von den Nazis hingerichteten katholischen Antifaschisten Rudolf Mandrella benannt. Zudem liegt er direkt vor dem Köpenicker Amtsgericht, in dessen Räumen sich die Gedenkstätte Köpenicker Blutwoche befindet. Hier verhaftete und folterte die SA im Juni 1933 Hunderte Geg­ne­r*in­nen des NS-Regimes, 23 Männer wurden ermordet.

Kein Heldengedenken

„Wir wollten unbedingt verhindern, dass hier so ein Heldengedenken stattfindet“, erzählte eine Person aus dem antifaschistischen Vorbereitungskreis. Sie schrieben verschiedene Behörden an, auch mehrere BVV-Abgeordnete setzten sich für ein Verbot der rechten Kundgebung ein. Mit Erfolg: Die Versammlungsbehörde untersagte die braune Mahnwache mit Verweis auf die unmittelbare Nähe zu einer Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus.

Die Ex-NPD verlegte zwar daraufhin ihre Mahnwache in eine Seitenstraße, verzichtete dann aber ganz darauf und zog sich in den Hof ihrer kleinen Parteizentrale zurück, von dessen Fassade eine kleine schwarze Fahne baumelte. Etwa 50 Nazis standen, im verschlossenen Hof am Würstchengrill.

Draußen auf der Antifa-Kundgebung thematisierten Red­ne­r*in­nen neben der Köpenicker Blutwoche auch das Gedenken an den 1993 am Bahnhof Schöneweide erschlagenen Hans-Joachim Heidelberg sowie die gestiegenen rechtsextremen Vorfälle im Allende-Viertel und in Schöneweide.

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